Abstract
Die Rolle der Hypophyse als funktionelle Matrix für die Sella turcica wurde in der kieferorthopädischen Literatur nicht vorgeschlagen. Diese Arbeit ist ein Versuch, die Rolle der Hypophyse bei der Entwicklung der Sella turcica zu korrelieren. Ein Fallbericht von Zwergwuchs in Verbindung mit Hypopituitarismus wird vorgestellt, um die obige Hypothese zu unterstreichen.
1. Einleitung
Die funktionelle Matrixtheorie besagt, dass die Entstehung, Entwicklung und Aufrechterhaltung aller Skeletteinheiten sekundäre, kompensatorische und mechanisch obligate Reaktionen auf zeitlich und operativ vorrangige Anforderungen verwandter funktioneller Matrizen sind. Gemäß dieser Theorie besteht die biomechanische Rolle der Skeletteinheit darin, ihre spezifische Funktionsmatrix zu schützen und/oder zu unterstützen. Wenn diese Funktionsmatrix wächst oder bewegt wird, reagiert die zugehörige Skeletteinheit angemessen auf diese morphogenetisch primäre Anforderung. Die Sella turcica, was im Lateinischen „türkischer Stuhl“ bedeutet, ist eine sattelförmige Vertiefung im Keilbein, die die Hypophyse aufnimmt. In der Literatur wird über eine größere Sella turcica bei hyperfunktioneller Hypophyse und eine kleinere bei hypofunktioneller Hypophyse berichtet. Daraus lässt sich die Wahrscheinlichkeit ableiten, dass die Hypophyse als Funktionsmatrix der Sella turcica dient. Wir haben dies im Detail analysiert, indem wir über den Fall einer hypofunktionellen Hypophyse berichteten.
2. Fallbericht
Eine 15-jährige Frau meldete sich in unserem College mit Beschwerden über einen fehlenden Vorderzahn. Sie war ein Zwerg mit einer Größe von 4,5 Fuß und einem Gewicht von 31 kg (Abbildung 1). Die Anamnese ergab, dass bei ihr im Alter von 3 Jahren ein Hypopituitarismus diagnostiziert wurde. Ihre Mutter hatte einen ähnlichen Zustand (Abbildung 2) und alle ihre Geschwister wurden als normal eingestuft. Ihre basalen Wachstumshormonwerte betrugen 0,30 ng/ml im Alter von 3 Jahren und 2,10 ng/ml im Alter von 11 Jahren gemäß den von ihr vorgelegten Unterlagen. Der Endokrinologe schlug der Patientin eine Wachstumshormonersatztherapie vor, die sie nicht annahm. Ihr Profil war leicht konvex mit kompetenten Lippen (Abbildungen 3, 4 und 5). Sie hatte Klasse-I-Molaren mit proklinierten Schneidezähnen und generalisierten Abständen. Sie gab an, vor einigen Monaten ein Trauma erlitten zu haben, das zum Verlust ihres oberen linken mittleren Schneidezahns führte (Abbildungen 6, 7 und 8). Sie hatte eine generalisierte Mikrodontie mit kurzen konischen Wurzeln, wie das OPG zeigte (Abbildung 9). Das OPG ihrer Mutter (Abbildung 10) zeigte ebenfalls eine Mikrodontie, die mit den zahnmedizinischen Befunden des kongenitalen Hypopituitarismus übereinstimmt. Ihr laterales Cephalogramm zeigte eine skelettale Basis der Klasse I (Abbildung 11 und Tabelle 1). Ein auffälliges Merkmal im lateralen Kephalogramm war die verminderte Größe der Sella (Tabelle 2). Die anhand von Röntgenbildern ermittelte Größe der Sella turcica liegt typischerweise zwischen 4 und 12 mm für die vertikale und zwischen 5 und 16 mm für die anteroposteriore Dimension. Die untere Grenze der Normalwerte für die Tiefe und Länge der Sella auf Röntgenbildern liegt bei 4 mm und 5 mm. In unserem Fall wurde bei der Überlagerung der Sella-Abtastung mit einem Millimeterblatt eine vertikale Dimension von 3,5 mm und eine anteroposteriore Dimension von 4 mm festgestellt. Die Dimensionen in unserem Fall sind niedriger als die normale Untergrenze.
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Tabelle 1
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Da die Hauptbeschwerde der Patientin der fehlende Schneidezahn war, war sie nicht an einer kieferorthopädischen Behandlung interessiert, obwohl sie proklinierte Schneidezähne hatte. Daher wurde bei dieser Patientin keine kieferorthopädische Behandlung durchgeführt.
3. Diskussion
Damit die Hypophyse als Funktionsmatrix für die Sella dienen kann, sollten drei Dinge berücksichtigt werden. (1) Die Hypophyse sollte vor der knorpeligen Sella gebildet werden. (2) Jede Wachstumszunahme der Sella muss der der Hypophyse folgen. (3) Jede abnorme Wachstumsmorphologie der Hypophyse sollte sich auch in der Sella widerspiegeln.
Sheng und Westphal und Kjær und Fischer-Hansen fanden heraus, dass sich die Hypophyse entwickelt, bevor sich die knorpelige Sella turcica gebildet hat. O’Rahilly und Müller berichteten, dass die Hypophysenknorpel um die vorhandene Hypophyse verschmelzen und den Körper des Keilbeins bilden, der die Fossa hypophysea enthält. Das schilddrüsenstimulierende Hormon wird von der Hypophyse um die 15. Woche des intrauterinen Lebens sezerniert. Lebenswoche intrauterin von der Hypophyse ausgeschüttet. Zu diesem Zeitpunkt wird der knorpelige Vorläufer der Sella beim Fötus erstmals bemerkt. Diese Tatsache, daß die Hypophyse bereits zu funktionieren beginnt, bevor der knorpelige Vorläufer der Sella gebildet wird, begünstigt unsere Hypothese.
Veränderungen in der Sella turcica während des Wachstums in der Kindheit wurden von Björk und Skieller radiographisch und von Melsen histologisch untersucht, die zeigten, daß die Sella turcica in der Kindheit an Größe zunimmt. Die Zunahme erfolgt durch Resorption an der Innenwand der Sella dorsalis. Eine altersabhängige Zunahme für beide Geschlechter wurde von Axelsson et al. berichtet. Damit die Hypophyse als funktionelle Matrix der Sella dienen kann, sollte die altersbedingte Zunahme der Hypophyse der vorangehende Faktor vor einer Größenzunahme der Sella sein. Argyropoulou et al. stellten in ihrer retrospektiven MRT-Studie fest, dass eine altersbedingte Größenzunahme der Sella turcica zu erwarten ist, da ihr Inhalt, d. h. die Hypophyse, mit dem Alter nachweislich an Größe zunimmt. Siverman berichtete, dass die Sella-Fläche mit dem Alter zunimmt, was möglicherweise mit der Funktion des Hypophysenvorderlappens zusammenhängt.
Die Abnahme/Zunahme der Funktion der funktionellen Matrix wird sich in der entsprechenden Skeletteinheit widerspiegeln, was an der Reaktion des Alveolarknochens und der Zähne erkennbar ist. Da der Zahn die Funktionsmatrix des Alveolarknochens ist, bildet sich die Alveole während des Durchbruchs des Zahns und bildet sich nach Zahnverlust zurück. Eine ähnliche Korrelation ist bei der Hypophyse und der Sella turcica zu sehen. Die Literaturberichte zeigen, dass immer dann, wenn sich die Hypophyse vergrößert, es zu einer entsprechenden Vergrößerung der Sella kommt und umgekehrt. Die radiologische Diagnose einer vergrößerten Sella turcica wurde in Verbindung mit Hypophysentumoren (Adenome, Meningiom, Prolaktinom und Kraniopharyngiom), zystischen Läsionen (Rathke’sche Spaltzyste und Mukozele), Aneurysma, Hypophysenhyperplasie (primäre Hypothyreose), Akromegalie, Gigantismus und Nelson-Syndrom gestellt. In diesen Fällen wird eine Vergrößerung der Hypophyse mit einer entsprechenden Vergrößerung der Sella festgestellt.
Eine Abnahme der Sella-Größe wurde bei einer Hypophysenunterfunktion festgestellt. Eine abnorm kleine Sella turcica wurde bei primärem Hypopituitarismus, Wachstumshormonmangel, Williams-Syndrom und Cushing-Syndrom aufgrund eines Nebennierenrindenadenoms gefunden. Die Größe der Sella ist stärker betroffen, wenn der Beginn der Hypophysenunterfunktion vor dem Alter von 6 Jahren liegt. In unserem Fall handelt es sich um einen ähnlichen Zustand, bei dem der Hypopituitarismus eine verminderte Größe der Sella turcica verursacht hat. Beim sogenannten Sheehan-Syndrom kommt es nach einer komplizierten Entbindung zu einer Nekrose der Hypophyse aufgrund eines Infarkts. In allen solchen Fällen wird eine kleinere Sella turcica festgestellt. Bakiri et al. berichteten, dass die Größe des Hypophysenrestes beim Sheehan-Syndrom nie mehr als ein Drittel der normalen Hypophyse betrug und die Größe der Sella im Vergleich zu Kontrollen signifikant kleiner war.
4. Schlussfolgerung
Alle diese Literaturberichte und Übersichten deuten stark auf eine Korrelation zwischen Sella turcica und Hypophyse hin. Sie verleihen der Tatsache Glaubwürdigkeit, dass die Hypophyse als funktionelle Matrix für die Skeletteinheit der Sella turcica dienen könnte, da sie sich vor dem knorpeligen Skelett der Sella bildet und jede morphologische Veränderung in der Hypophyse eine entsprechende in der Sella hat. Aber weitere Untersuchungen auf Gewebeebene könnten erforderlich sein, um diese Behauptungen zu bestätigen.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass es keinen Interessenkonflikt bezüglich der Veröffentlichung dieser Arbeit gibt.